16 Sep. Authentisch sein – stimmig mit dir, verbunden mit anderen
15.09.2025 | Wann hast du zuletzt diese Situation erlebt: Du bist mit einem Menschen im Gespräch, hörst zu und zunehmend fällt dir auf, dass sich etwas nicht stimmig anfühlt? Etwas an deinem Gegenüber wirkt aufgesetzt, nicht echt. Dieses feine Gespür für Authentizität haben wir alle, und wenn wir merken, dass jemand eine Rolle spielt, sind wir irritiert oder fühlen uns sogar unwohl.
Authentizität ist weit mehr als nur ein schönes Schlagwort: Wir wünschen sie uns bei anderen und streben sie für uns selbst an. Doch so selbstverständlich, wie der Begriff klingt, ist er nicht. Was bedeutet es eigentlich, authentisch zu sein? Warum ist Authentizität so wichtig – für unser eigenes Wohlbefinden, für gelingende Beziehungen und sogar für unseren Beitrag in der Welt?
Was bedeutet es, „authentisch zu sein“?
Der Begriff Authentizität leitet sich vom griechischen authentikós ab, was so viel heißt wie „die ursprüngliche Echtheit, das Original“, und gelangte über das spätlateinische authenticus („verlässlich, echt, ursprünglich“) ins Deutsche. Schon in der Wortherkunft schwingt also der Gedanke von Echtheit und Ursprung mit.
In der Psychologie bezeichnet Authentizität einerseits die innere Stimmigkeit – also das Maß, in dem wir unsere Bedürfnisse, Werte und Absichten kennen, akzeptieren und danach handeln. Andererseits meint sie die Wirkung nach außen: ob andere uns als glaubwürdig und echt wahrnehmen.
Diese äußere Wirkung ist nicht manipulierbar. Sie kann nur entstehen, wenn wir innerlich klar sind, uns mit unseren Motiven, Bedürfnissen und Empfindungen auseinandersetzen und bereit sind, für sie einzustehen. Authentisch zu sein bedeutet dabei jedoch nicht, jede Regung ungebremst auszudrücken oder immer alle Karten offenzulegen. Es heißt vielmehr, bewusst zu wählen, welche Facetten wir in einer Situation zeigen und gleichzeitig mit dem verbunden zu bleiben, was wir wirklich denken und fühlen.
Menschen, die ihre Werte, Bedürfnisse und Grenzen gut kennen, strahlen diese Stimmigkeit oft spürbar aus. Wir nehmen sie als vertrauenswürdig, nahbar und klar wahr, weil Worte, Stimme, Gestik und Haltung kohärent und natürlich wirken.
Fehlt dagegen Authentizität, entstehen Fassaden: Menschen stellen sich dar und inszenieren sich, anstatt sich echt zu zeigen.
Neurologisch betrachtet: So erleben wir Authentizität
Wenn wir uns selbst als authentisch erleben, wird ein komplexes Netzwerk im Gehirn aktiviert, das Selbstwahrnehmung, positive Gefühle und soziale Verbundenheit integriert. Dies kann ausgelöst werden durch eine Handlung, ein stimmiges Denken, eine klare Entscheidung oder eine Erfahrung, die mit unseren inneren Werten in Resonanz steht. Eine zentrale Rolle spielen hierbei Bereiche unseres Stirnhirns (mediale präfrontale Regionen), die es uns ermöglichen, über das eigene Selbst, unsere Werte und Entscheidungen nachzudenken.
Gleichzeitig werden Belohnungszentren aktiviert, die positive Emotionen und Motivation vermitteln. Daher erleben wir authentisches Handeln oft als befreiend, angenehm oder energetisierend. Auch die Wahrnehmung unseres Körpers spielt eine wichtige Rolle: Wir spüren, ob sich Gedanken und Handlungen stimmig oder unangenehm anfühlen – diese körperliche Resonanz unterstützt das Gefühl von Authentizität.
Wenn wir andere Menschen als authentisch erleben, reagiert unser Spiegelneuronensystem, das Empathie, Vertrauen und soziale Verbundenheit ermöglicht. Wir „erleben mit“, wie echt der/die andere handelt, und spüren dadurch Nähe und Vertrauen. Authentizität erzeugt damit eine stimmige Aktivierung zwischen Denken, Körperwahrnehmung und positiven Gefühlen.
Andersherum, wenn wir uns selbst oder andere als nicht authentisch erleben, melden diese Netzwerke Unstimmigkeit und innere Alarmbereitschaft. Wir spüren Irritation, Unwohlsein oder körperliche Spannung. Unser Gehirn registriert, dass etwas nicht passt – Gedanken, Gefühle und Handeln stimmen nicht überein oder das Verhalten des Gegenübers wirkt aufgesetzt. Diese Wahrnehmung kann zu Distanz, Misstrauen oder emotionaler Zurückhaltung führen.
Warum es so wertvoll ist, sich authentisch zu begegnen
Sich authentisch zu zeigen, ist ein Geschenk – für uns selbst und für die Menschen, mit denen wir in Beziehung treten. Wer sich in einer Begegnung traut, sichtbar zu werden, macht echtes Miteinander erst möglich.
Authentisch zu sein bedeutet dabei nicht, jede innere Regung ungefiltert hinauszuposaunen. Es schließt ein, die Rolle mitzudenken, in der man sich gerade bewegt – zum Beispiel als Führungskraft, Kollegin, Freundin oder Partner. Eine Rolle bewusst einzunehmen, macht uns nicht weniger echt, solange wir uns darin wiederfinden und unser Handeln mit unseren Werten, Bedürfnissen und Absichten übereinstimmt.
Fehlt Authentizität, stehen sich in Beziehungen oft nur Egos gegenüber: Fassaden, die versuchen zu beeindrucken oder zu schützen, statt sich wirklich zu verbinden. Solche Begegnungen bleiben oberflächlich, sie nähren weder Vertrauen noch Kreativität und sie bringen unsere gemeinsame Welt kaum weiter.
Wer hingegen den Mut hat, auch Fehler einzugestehen, Unsicherheiten zu benennen oder eigene Grenzen zu ziehen, zeigt sich menschlich, ohne sich kleinzumachen oder damit zu kokettieren. Diese Offenheit schafft Vertrauen und ist die Basis dafür, dass wir Risiken eingehen und Neues ausprobieren. Erst dort, wo Vertrauen wächst, kann auch Wachstum entstehen: in der eigenen Persönlichkeit, zwischenmenschlich und selbst unternehmerisch gedacht. Authentizität lädt andere ein, sich ebenfalls zu zeigen und legt den Boden für Beziehungen, in denen Entwicklung, Lernen und Verbundenheit gedeihen können.
Ehrlich zu sich selbst – die Basis authentischer Beziehungen
Bevor wir jedoch anderen authentisch begegnen können, müssen wir ehrlich zu uns selbst sein. Diese Ehrlichkeit ist der Ausgangspunkt gesunder und wirksamer Selbstführung. Sie bedeutet, die eigenen Gedanken, Gefühle, Werte, Bedürfnisse und Absichten wahrzunehmen, anzuerkennen und nicht zu verleugnen oder zu verdrängen.
Ehrlich zu sich selbst zu sein heißt nicht, ständig alles zu analysieren oder jede Emotion 1:1 auszuleben. Vielmehr geht es um bewusste Selbstreflexion: regelmäßig innehalten, hinspüren, Fragen stellen wie: „Was brauche ich gerade wirklich?“, „Was ist mir wichtig?“ oder „Entspricht mein Verhalten meinen Werten?“ Es geht darum, die eigenen Entscheidungen und Handlungen mit der inneren Wahrheit abzugleichen.
Selbst-Authentizität umfasst viele Facetten: das Wahrnehmen von Stimmungen und Emotionen, das Erkennen eigener Grenzen, das Bewusstwerden von Mustern, die uns hemmen oder antreiben, und die Fähigkeit, Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen. Wer sich selbst kennt, kann Klarheit entwickeln, Prioritäten setzen und Handlungen wählen, die stimmig sind – statt reflexartig zu reagieren oder fremde Erwartungen zu erfüllen.
Diese Form der Selbstführung ist nicht statisch, sondern ein fortlaufender Prozess, der Mut, Engagement und Geduld braucht. Sie schafft die Grundlage dafür, dass wir uns selbst treu bleiben, in Einklang mit den eigenen Prioritäten leben und in Beziehungen authentisch und wirksam-stärkend auftreten können.
Und wenn wir uns selbst etwas vormachen?
Manchmal halten wir uns für authentisch und merken gar nicht, dass wir uns selbst etwas vormachen. Wir identifizieren uns mit Idealen oder Werten unseres Umfeldes, ohne zu erkennen, dass sie nicht wirklich zu uns passen.
Statt immer nur unserem Verstand und bewussten Absichten zu folgen, lohnt es sich deshalb, auf die feinen Signale unseres Körpers zu achten. Mangelnde Ehrlichkeit zu uns selbst zeigt sich immer auch im Körper: verspannte Schultern, ein Ziehen im Bauch, flacher Atem oder ein kaum wahrnehmbares Unwohlsein bis hin zu psychosomatischen Symptomen. Solche Empfindungen sind oft erste Hinweise darauf, dass etwas nicht stimmig ist – vielleicht, weil wir uns gerade verstellen oder Erwartungen erfüllen wollen, die uns nicht guttun. Entscheidend ist, diese Signale nicht vorschnell zu übergehen oder zu rationalisieren, sondern ihnen Raum zu geben und neugierig zu prüfen, was sie uns sagen wollen.
Es erfordert Aufmerksamkeit und Übung, sich selbst auf die Spur zu kommen. Wer regelmäßig innehält, auf seinen Körper achtet und die eigenen Empfindungen ernst nimmt, lernt, diese verborgenen Hinweise zu erkennen und schrittweise stimmiger zu handeln. Langfristig schützt uns diese Praxis vor Erschöpfung, innerer Unzufriedenheit und Entscheidungen, die an unseren echten Bedürfnissen vorbeigehen. Tools wie das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®) können dabei unterstützen: Sie helfen, unbewusste Bedürfnisse bewusst wahrzunehmen, zu integrieren und die eigene Selbst-Authentizität zu stärken.
Authentizität-Check: Kleine Übungen für den Alltag
Diese Übung hilft dir, deine eigene Authentizität bewusster wahrzunehmen und zu stärken. Indem du dich selbst und andere aufmerksam beobachtest, lernst du, subtile Signale zu erkennen und auch innere Blockaden zu spüren. Authentizität wird so zu einem praktischen Werkzeug für mehr Selbstwirksamkeit, Wohlbefinden und stimmige Begegnungen.
Schritte der Übung – ein Tagesrückblick:
- Wie waren deine sozialen Kontakte heute?
- Wann hat jemand stimmig auf dich gewirkt, wann nicht?
- Was im Verhalten deines Gegenübers hat diese Wahrnehmung in dir ausgelöst?
- Erinnere dich an stimmige Momente
- Wann hast du dich befreit, authentisch oder wohl gefühlt?
- Was genau hat dazu beigetragen?
- Erkenne Hindernisse
- Wann ist es dir schwergefallen, authentisch zu sein?
- Welche äußeren Erwartungen oder inneren Glaubenssätze haben eine Rolle gespielt?
- Setze kleine Schritte um
- Wähle für morgen eine Handlung oder Entscheidung, mit der du dich authentischer fühlst.
Zum Schluss: Authentizität in der Natur
Nimmt dir bei deinem nächsten Spaziergang durch die Natur bewusst Zeit, achtsam zu gehen und deine Umgebung wahrzunehmen: Halte inne, wenn dir etwas auffällt – ein Baum, ein Vogel, das Licht auf dem Wasser oder eine kleine Pflanze – und frage dich: „Was daran wirkt besonders authentisch auf mich und warum?“ Lass die Eindrücke ohne Bewertung auf dich wirken und spüre, welche Resonanz in deinem Körper entsteht.
Ich wünsche dir viel Freude beim Entdecken und Stärken von Authentizität – in dir selbst, in Begegnungen mit anderen und in der Welt um dich herum.
Wenn du dich mit anderen Menschen zum Thema „Authentizität“ austauschen und neue Kontakte knüpfen möchtest, dann melde dich gerne zum nächsten, kostenlosen „Netwalking Düsseldorf” an 26.09.2025 an.
Bis zum nächstem Mal,
deine Anja