Einfach mal aushalten - die Langeweile-Challenge | anjahume.de
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Einfach mal aushalten – die Langeweile-Challenge

Einfach mal aushalten – die Langeweile-Challenge

17.02.2025 | Heute geht es um ein Gefühl, das wir alle kennen und meist so schnell wie möglich wieder loswerden wollen: die Langeweile. Ich meine hier die Langeweile, die sich scheinbar grundlos und diffus breitmacht und nicht das Gefühl, das durch eine öde Aufgabe, ein schleppendes Gespräch oder einen schlechten Film entsteht.

Wann taucht sie auf? Warum flüchten wir vor ihr? Und was, wenn sie uns eigentlich etwas zu sagen hat – oder sogar hilfreich ist?

Was ist Langeweile und wie fühlt sie sich an?

Langeweile ist ein seltsames Gefühl – für jeden etwas anders, aber oft schwer auszuhalten. Laut Wikipedia beschreibt sie „das unangenehme Gefühl, einer befriedigenden Tätigkeit nachgehen zu wollen, es aber nicht zu können.“ Und genau das trifft es: Man will irgendetwas tun, findet aber nichts, das sich gerade richtig anfühlt.

Langeweile kann sich anfühlen wie ein zähes Vakuum, eine diffuse Leere, die schwer zu greifen ist. Vielleicht kennst du es: Du hast auf nichts Lust, nichts scheint reizvoll, und genau das macht dich rastlos. Dein Körper wird nervös, dein Geist sucht nach Ablenkung – und je mehr du versuchst, dieses Unbehagen loszuwerden, desto drückender scheint es zu werden.

Besonders oft taucht diese Langeweile in Momenten auf, in denen wir eigentlich zur Ruhe kommen könnten – nach einer hektischen Phase, nach intensiver Arbeit. Doch statt Erholung setzt eine Unzufriedenheit ein.

Der Literat, Naturwissenschaftler und Philosoph Blaise Pascal (1623-1662) beschrieb dieses Empfinden ziemlich eindrücklich:

„Nichts ist so unerträglich für den Menschen, als sich in einer vollkommenen Ruhe zu befinden, ohne Leidenschaft, ohne Geschäfte, ohne Zerstreuung, ohne Beschäftigung. Er wird dann sein Nichts fühlen, seine Preisgegebenheit, seine Unzulänglichkeit, seine Abhängigkeit, seine Ohnmacht, seine Leere. Unaufhörlich wird aus dem Grund seiner Seele der Ennui aufsteigen, die Schwärze, die Traurigkeit, der Kummer, der Verzicht, die Verzweiflung.“

Vielleicht empfindest du es nicht ganz so dramatisch. Aber das nagende Unwohlsein, das Langeweile mit sich bringt – das kennen wir alle.

Warum wir Langeweile so schlecht ertragen können

Neurobiologisch betrachtet ist Langeweile ein Reizmangel – und unser Gehirn ist darauf programmiert, Reize zu suchen. Wenn nichts Spannendes passiert, fällt der Dopaminspiegel ab und Dopamin ist das Hormon, das mit Belohnung, Motivation und Freude verbunden ist. Ohne äußere Stimulation bleibt unser Gehirn sozusagen „unterfordert“ – es entsteht ein unangenehmes Gefühl von Leere und Unruhe und das ist für viele schwer zu ertragen.

Somit bevorzugt unser Gehirn lieber irgendeine Form der Aktivität, anstatt einfach nur in einen reizarmen Zustand zu fallen. Das zeigt ein Experiment der Universität Virginia und Harvard (2014) eindrucksvoll:

Die Teilnehmenden mussten 15 Minuten lang in einem leeren Raum sitzen – ohne Handy, Buch oder Ablenkung. Die einzige Möglichkeit, sich zu beschäftigen, bestand darin, einen Knopf zu drücken, der einen schmerzhaften Stromschlag auslöste. Das Ergebnis war verblüffend:

  • Zwei Drittel der Männer und ein Viertel der Frauen entschieden sich dafür, sich selbst Stromschläge zu versetzen – freiwillig.
  • Ein Teilnehmer drückte den Knopf 190-mal in 15 Minuten.

Menschen nehmen also tendenziell selbst unangenehme Reize in Kauf, bevor sie gar nicht stimuliert werden. Lieber Schmerz als Langeweile. Lieber eine bekannte, wenn auch negative Erfahrung als das Gefühl, nichts mit sich anzufangen zu wissen. Schon ziemlich erstaunlich, oder?

Diese starke Abneigung gegen Langeweile lässt sich auch evolutionsbiologisch erklären: In der Steinzeit war Untätigkeit potenziell gefährlich. Unser Gehirn hat sich über Jahrtausende darauf spezialisiert, nach Beschäftigung und Sinneseindrücken zu suchen – sei es durch Nahrungssuche, soziale Interaktion oder Problemlösung. In der modernen Welt hingegen sind wir es gewohnt, uns jederzeit durch Medien, Arbeit oder Unterhaltung abzulenken. Fällt all das weg, fühlt sich der Zustand der Langeweile schnell wie ein „Alarm“ an, den wir unbewusst sofort bekämpfen wollen.

Möchte uns unsere Langeweile etwas sagen?

Sich abzulenken, wenn Langeweile aufkommt, ist also völlig normal und menschlich – und oft auch unproblematisch. Doch bevor wir sie vorschnell vertreiben, lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Hat Langeweile vielleicht einen tieferen Sinn und kann sogar hilfreich sein? Der Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe drückte es treffend aus: „Langeweile, du bist Mutter der Musen.“

Diese Aussage ist nicht nur poetisch, sondern hat auch eine wissenschaftliche Grundlage. Denn tatsächlich kann Langeweile weit mehr sein als ein bloßes Unwohlsein – sie kann eine Initialzündung für Kreativität, Reflexion und persönliches Wachstum sein.

Was passiert neurobiologisch, wenn wir Langeweile zulassen?

Sobald unser Gehirn nicht mehr durch äußere Reize stimuliert wird, passiert etwas Spannendes: Es schaltet in den Default Mode Network (DMN) – ein Netzwerk aus Gehirnregionen, das besonders aktiv ist, wenn wir nichts Konkretes tun.

Dieses Netzwerk spielt eine entscheidende Rolle für:

  • Kreativität und Ideenfindung – unser Gehirn beginnt, Gedanken neu zu verknüpfen und originelle Lösungen zu entwickeln. Viele bahnbrechende Einfälle entstehen genau dann, wenn Menschen scheinbar „nichts tun“ – beim Spazierengehen, Tagträumen oder Duschen.
  • Selbstreflexion und innere Klarheit – Langeweile gibt unserem Gehirn Raum, um Erlebtes zu verarbeiten. Das hilft uns, Dinge bewusster wahrzunehmen, über persönliche Ziele nachzudenken und neue Perspektiven zu gewinnen.
  • Problemlösung und Zukunftsplanung – Studien zeigen, dass das Gehirn im Zustand der Muße oft anstehende Herausforderungen im Hintergrund weiterbearbeitet. Das kann erklären, warum uns Lösungen manchmal aus dem Nichts einfallen.
  • Mentale Regeneration – Ein überreiztes Gehirn ist wie ein überfüllter Schreibtisch: Es braucht Pausen, um Informationen zu sortieren. Wer Langeweile zulässt, gibt seinem Gehirn die Chance, sich zu erholen und langfristig leistungsfähiger zu sein.

Vielleicht ist Langeweile also nicht einfach nur eine Leere, die gefüllt werden muss, sondern auch ein Zeichen dafür, dass unser Gehirn Ruhe braucht, nach Inspiration sucht oder dass wir etwas verändern sollten.

Wenn du dich also traust, dich der Langeweile auch einmal bewusst hinzugeben, kannst du sie als wertvolle Ressource nutzen – und vielleicht eine ganz neue Seite an dir entdecken.

Meine Challenge für dich

Langeweile einfach auszuhalten, klingt leichter, als es ist. Doch genau darin liegt eine spannende Herausforderung, denn wenn du ihr Raum gibst, kann etwas Unerwartetes passieren. Eine neue Idee taucht auf, eine Situation nimmt eine überraschende Wendung oder der Geist beginnt, sich kreativ zu beschäftigen.

Falls du Lust hast, dich der Langeweile einmal bewusst zu stellen, probiere es doch mal mit folgenden Schritten aus:

  1. Definiere für dich, was Langeweile bedeutet. Wann tritt sie auf? Wie fühlt sie sich an?
  2. Beobachte, wie du darauf reagierst. Welche Gedanken oder körperlichen Empfindungen entstehen?
  3. Lass sie bewusst da sein. Vielleicht für 15 Minuten – ohne Ablenkung.
  4. Reflektiere: Was passiert? Ändert sich etwas in deiner Wahrnehmung oder deinem Denken?

Und falls du noch einen humorvollen Anstoß brauchst – zum Abschluss ein kleines Schmankerl aus den Känguru-Chroniken. Viel Spaß beim Entdecken!

Wie immer freue ich mich, von deinen Erfahrungen zu lesen – schreibe mir gerne an kontakt@anjahume.de.

Bis zum nächsten Mal,
Anja