Warum wir das Unbewusste brauchen, um selbstwirksam handeln zu können | anjahume.de
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Warum wir das Unbewusste brauchen, um selbstwirksam handeln zu können

Warum wir das Unbewusste brauchen um selbstwirksam zu handeln

Warum wir das Unbewusste brauchen, um selbstwirksam handeln zu können

Wie oft nehmen wir uns etwas vor und setzen es dann nicht um? Obwohl wir davon ausgehen, dass es das vermeintlich Richtige für uns ist und wir es auch wirklich wollen – eine alltägliche Erfahrung, die viele Menschen mit den unterschiedlichsten Anliegen oft sehr leidvoll erleben.

So kann es sein, dass unser guter bewusster Vorsatz ist, im nächsten Gespräch mit unserem Partner oder unserer Partnerin gelassen und freundlich zu bleiben, auch wenn innerlich schon die Betriebstemperatur steigt. Wir wissen, dass dies sinnvoll ist und zu starke Emotionen ziemlich schnell Konflikte hochkochen lassen. Es ist uns wichtig, uns aufrecht, souverän und wertschätzend zu verhalten, weil dies unseren Werten entspricht. Und nicht zuletzt haben wir kürzlich noch ein Seminar zum Thema Gewaltfreie Kommunikation gemacht und alle Werkzeuge für gute Gespräche gelernt. So weit, so gut. Der Plan steht, das nächste Gespräch kommt und wir schaffen es gerade 30 Sekunden, unser Vorhaben umzusetzen. Da nehmen wir plötzlich die altbekannte hochgezogene Augenbraue wahr, ein falsches Wort und wir können uns selbst dabei zusehen, wir wir lospoltern und ärgerlich aus dem Raum stürmen. Was ist hier passiert?

Motive für unser Verhalten

Für alles, was wir tun oder lassen, haben wir unsere Beweggründe, auch Motive genannt. Manche davon sind uns bewusst, viele davon sind uns allerdings auch verborgen und haben dennoch einen großen Einfluss auf unsere Handlungen. Wenn wir nun unser Verhalten nachhaltig und wirksam steuern und ändern möchten, müssen wir auch diese Motive berücksichtigen. Sich etwas mit dem Verstand vorzunehmen, reicht nur begrenzt und in bestimmten Fällen, damit es wirklich auch zur erwünschten Handlung kommt.

Dafür ist es wichtig zu wissen, dass wir Menschen zwei Systeme in uns haben, die alles, was wir tun, erleben und uns vornehmen, nach unterschiedlichen Kriterien bewerten. Ich spreche hier von dem sogenannten Unbewussten (mehr dazu hier: „Die Macht des Unbewussten – das emotionale Erfahrungsgedächtnis„) und dem bewussten Verstand. Das Unbewusste bewertet lediglich nach den zwei Kriterien „Mag ich“ oder „Mag ich nicht“, was einem Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten gleich kommt. Der Verstand dagegen bewertet nach logischen Argumenten wie richtig oder falsch und bezieht sich dabei auf Faktenwissen, aber auch auf moralische und eigene Werte, auf mögliche negative oder positive Konsequenzen und auf die eigenen erlebten, erinnerungsfähigen autobiographischen Situationen. Wenn nun diese beiden Systeme etwas, das wir uns vorgenommen haben, unterschiedlich bewerten, dann kommt es zu einem inneren Konflikt und wir erleben uns als hin- und hergerissen oder inkonsequent. Neben der Impulsivität, bei der unsere unbewussten Antriebe die Kontrolle übernehmen, gibt es zwei Arten des Zusammenspiels der beiden Systeme, die ich hier vorstellen möchte:

Selbstkontrolle

Wenn wir uns bewusst etwas vornehmen, zu dem unser Unbewusstes keine Lust hat, weil es zu einer ähnlichen Erfahrung in der Vergangenheit ein negatives Gefühl abgespeichert hat, dann boykottiert es diesen Vorsatz auf Dauer. Diesen Widerstand können wir auf die unterschiedlichste Art und Weise wahrnehmen – von einfacher Unlust bis hin zu einem unerwünschten Verhalten, was uns einfach „passiert“. Wir fühlen uns dann wie fremdgesteuert, weil wir ja „eigentlich“ etwas anderes wollen. Ein Zeitlang schaffen wir es vielleicht, die guten Vorsätze unseres Verstandes durchzusetzen.

Dieser Zustand der Selbstkontrolle, wenn der Verstand das Unbewusste kontrolliert, funktioniert aber nur unter optimalen Arbeitsbedingungen. Denn unser Gehirn benötigt viel Energie und Aufmerksamkeit, um zu arbeiten. Bewusste Prozesse sind sehr energieaufwändig, deshalb versucht unser Gehirn, möglichst viel zu automatisieren, um stoffwechselphysiologisch gesehen zu sparen. So führen kognitive Überforderung, starke positive oder negative Emotionen, Unterforderung, starke Reize der Umwelt oder mangelnde körperlicher oder psychischer Basisbedürfnisse dazu, dass unser bewusster Verstand überfordert ist, die Handlungskontrolle abgibt und unbewusste Verhaltensmuster das Ruder übernehmen. Da die Arbeitsbedingungen für unseren bewusste Handlungssteuerung selten optimal ist, ist Selbstkontrolle auf Dauer keine haltbare Strategie und macht auch Dauer psychisch wie physisch krank.

Selbstregulation

Ziel muss es also sein, Handlungspläne im Sinne bewusster Ziele zu entwerfen, die sowohl unserem Verstand gefallen, als auch unserem Unbewussten. Erst dann kommt es zu einem nachhaltigen „Go“ in unserem Verhalten. Es geht darum, bewusste und unbewusste Motive und Bedürfnisse in einem solange miteinander zu synchronisieren, bis man einen für beide Systeme schlüssigen Entwurf gefunden hat. Dies entspricht dem Prinzip der Selbstregulation. Sehr oft geht dabei dann um Sowohl-als-auch-Lösungen, die kein Entweder-Oder erfordern. Und wenn wir das Unbewusste mit seinen positiven Gefühlen mit ins Boot geholt haben, können wir uns sicher zu sein, unsere Ziele auch nachhaltig motiviert zu verfolgen. So hat unser Gehirn auch unter ungünstigen Bedingungen genügend Energie, einen Vorsatz in Handlung umzusetzen. Denn die Erwartung einer Belohnung in Form eines guten Gefühls geht immer einher mit der Ausschüttung von stoffwechselförderlichen Mitteln im Gehirn und ist der einzige erstrebenswerte Ausgleich für die enorme Anstrengung.

Die einzige Form von Belohnung, die in ihrer Wirkung hier nicht nachlässt, ist die intrinsinsche Belohnung, die in uns selbst entsteht – im Gegensatz zu sozialer oder materieller Belohung. Intrinsische Belohnungen bestehen in der Freude am Gelingen, der Selbstbestätigung, im Gefühl der Verwirklichung eigener Fähigkeiten und Wünsche (Selbstwirksamkeit), auch im Gefühl, in etwas besser zu sein als andere und in der Überzeugung, an einer wichtigen Sache mitzuarbeiten oder Teil eines wichtigen Größeren zu sein (Sinn). Der bekannte Hirnforscher Gerhard Roth nennt dies auch die „Energetisierung unseres Willens“ – dann sind wir motiviert und halten durch, auch in schwierigeren Situationen.

Bezogen auf unser obiges Beispiel könnte dies heißen: Erst wenn ich mich bewusst für ein gelassenes und souveränes Kommunikationsverhalten entschieden haben und Lust darauf habe, weil ich eine Belohnung erwarte zum Beispiel im Sinne von erlebtem Stolz auf mich und Selbstwirksamkeit (wenn dies meinen unbewussten Bedürfnissen entspricht), erst dann werde ich dieses Verhalten auf Dauer auch umsetzen und lernen.

Hat sich das Unbewusste dann einmal eine Absicht zu eigen gemacht und mit viel Üben und Verinnerlichen als Gewohnheit im impliziten Gedächtnis abgespeichert, sorgt es dafür, sie auch gegen die widrige Alltagsbedingungen dauerhaft durchzusetzen.

Umsetzung

Und wie schaffen wir das? Der erste Schritt ist, einen Zugang zu unseren unbewussten Bedürfnissen und Hinweisen zu erhalten und zwar zu denen, die ein gutes Gefühl erzeugen und somit eine wichtige Ressource für uns darstellen. Langfristige Motivation benötigt Annäherungs- und nicht Vermeidungsverhalten. Diverse Ansätze bieten hier unterschiedliche Möglichkeiten wie zum Beispiel die Traumdeutung, Malen aus dem Unbewussten, Sandspiele nach Kalff, Hypnosetherapie – nur um einige zu nennen. Das Zürcher Ressourcen Modell zum Beispiel hat dazu eine wissenschatlich basierte Methode entwickelt, das Unbewusste im Gruppensetting oder auch Einzelcoaching schnell und effektiv zu explorieren, um damit dann weiterzuarbeiten (mehr dazu: Grundkurs mit dem Zürcher Ressourcen Modell).

Der nächste Schritt ist dann – wie oben schon erwähnt, die Synchronisation beider Systeme durch eine schleifenartigen Abstimmungsprozess zwischen Verstand und Unbewussten. Wir entwerfen solange Zielvorstellungen und Möglichkeiten und schlagen sie unserem Unbewussten als Haltung oder Handlung vor, bis es die Rückmeldung gibt (über Gefühle oder Körperwahrnehmung): Ja, darauf habe ich Lust, das fühlt sich wirklich gut an. Diese Vorschläge müssen möglichst bildhaft sein – imaginiert oder körperlich – , denn unser Unbewusstes versteht keine Sprache sondern nun Bilder (oder bildhafte Sprache). Ergebnis dieser Arbeit ist dann eine Handlungsabsicht, die für uns mit einem starken positiven Gefühl begleitet ist, so dass wir uns in einem ganz klaren, motivierten Zustand des Wollens befinden.

Fazit

Ich hoffe, dass ich mit diesem Beitrag deutlich machen konnte, wie wichtig es ist, bei nachhaltigen persönlichen Veränderungsprozessen immer beide Systeme in uns miteinzubeziehen, da wir sonst nicht die ausreichende Motivation haben, diese oft sehr langwierigen und anstrengenden Umlernprozesse (je nachdem wie tief verwurzelt diese alten Muster sind, die wir verändern wollen) durchzuhalten.

Dazu reicht eben nicht die mit dem Verstand getroffene Absicht, dafür braucht es vor allem auch ein tief empfundenes positives Gefühl aus uns heraus. Es braucht beides! Eine Kongruenz von unbewussten und bewussten Motiven und Bedürfnissen ist die Voraussetzung für das, was der kanadisch-amerikanische Psychologe Bandura Selbstwirksamkeit genannt hat, nämlich die Überzeugung, dass die Verwirklichung von Zielen durch das eigene Verhalten beeinflusst werden kann. Selbstwirksame Menschen zeigen Hartnäckigkeit in der Verfolgung ihrer Ziele, sehen Hindernisse als Herausforderung und nicht als Bedrohung und können abschätzen, welcher Aufwand sich für welches Ziel lohnt.

Das möchte ich dir konkret mitgeben:

  1. Wenn du wichtige Dinge in deinem Leben entscheiden oder verändern möchtest, berücksichtige immer, was dein Verstand UND was dein Unbewusstes dir sagt (über deine Gefühle und Körperempfindungen) und entwickle auf dieser Basis der Selbstregulation deine Ziele (Selbstkontrolle bitte nur kurzfristig und in Ausnahmen wie zum Beispiel beim Zahnarztbesuch :))
  2. Trainiere täglich deine Selbstwahrnehmung, indem du deine Gefühle und Körperempfindungen achtsam wahrnimmst – denn das sind die Signale deines Unbewussten – und setze sie in Relation zu dem, was du gerade gedacht hast, was gerade passiert ist oder du wahrgenommen hast. So lernst du dich immer besser kennen.
  3. Vertraue darauf, dass diese Mitteilungenn deines Unbewussten eine wichtige Botschaft enthalten, die du immer auch berücksichtigen solltest und wertschätze sie!

 

Quellen und Literaturtipps:

„Das Geheimnis kluger Entscheidungen – von Bauchgefühl und Körpersignalen“ (Maja Storch, 2013, Piper-Verlag)

„Selbstmanagement – ressourcenorientiert. Grundlagen und Trainingsmanual für die Arbeit mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®)“ (Maja Storch und Frank Krause, 2017, Hogrefe-Verlag)

„Coaching, Beratung und Gehirn – Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte“ (Gerhard Roth und Alica Ryba, 2016, Klett-Cotta)